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Abseits der Schlösser im Loire-Tal [zurück]

Nicht nur die Schlösser, auch kleinere Dörfer und Abteien sind sehenswert

Fällt das Wort "Loire", denkt der kultivierte Mensch an Schlösser ohne Ende. Der eine ganz wild darauf, jeden Tag zig Schlösser in sich aufzusaugen; der andere winkt ab, meint, das Fleckchen Frankreich sei nichts für ihn, "nur" Schlösser.

Der Weg von der Quelle zur gemächlichen "Grande Dame" Loire

Also beschloss ich, wenn ich einmal in das Tal der Loire komme, Ausschau nach Kleinoden abseits des über eintausend Kilometer langen Flusses zu halten. Und es kam dann stets zu dem von mir hier geschilderten Kompromiss aller Mitreisenden: Loire - ja, Schlösser - nein, Schlösser - ja, aber...

Der Fluss hat seine Quelle in der Region Auvergne im Zentralmassiv von Frankreich, nahe dem Städtchen Le Puy-en-Velay. Ein Wallfahrtsort mit zwei Vulkankegeln mitten in der Stadt. Auf dem Einen eine überdimensionale Marienstatue aus Eisen, auf dem Anderen ein Kirchlein. Sein Wasser berührt die Region Rhône-Alpes im nach ihm benannten Départemente Loire, begrüßt wohl auch das Burgund und bekommt auch dort ein Département gewidmet, das Département Saône-et-Loire und erreicht Nevers, die Stadt von Bernadette Soubirous, der die Muttergottes 1844 erschienen ist. Nun hat die Loire die Region Centre erreicht und damit auch jene Zone, die wir im Allgemeinen bei einer Loire-Reise auch besuchen. War sie bisher nach Norden geflossen, beschreibt sie nun einen Bogen nach Westen und nimmt ab Orléans Kurs auf den Atlantik. Noch einmal wird der großen Flussdame gehuldigt, gar eine Region erhält ihren Namen: Pays-de-la-Loire, Länder der Loire, und sie erreicht westlich von Nantes den Atlantik. Im Jahr 2000 wurde ein Teil des Loire-Tales zwischen Chalonnes (westlich von Angers) über Tours, Blois, Orléans bis Sully-sur-Loire (südöstlich von Orléans) von der UNESCO zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt.

Schlösser vieler Jahrhunderte, Atomstromkraftwerke vieler Widerstände, die Wiedergeburt der Reise der Lachse stromaufwärts, der Abriss aller Staudämme, die reiche Geschichte und die vielen Reisewege. Wahrlich, das Tal der Loire ist kein Ziel eines Wochenendtrips, schon gar nicht, wenn man auch noch das Land im Schatten der Loire erleben möchte.

Mönche, Höhlen und Mächtige

Nach einer gemächlichen Fahrt von Mont Saint Michel in der Normandie auf der Autobahn, vorbei an Rennes, der Hauptstadt der Region Bretagne, erreiche ich Angers, an den Flüssen Maine und Loire gelegen. Nicht die unzähligen Schlösser möchte ich abklappern, abhaken, abgrasen; nein, ich schlängle mich ein kleines Stück der Loire entlang, um dann südlich der Loire in die Kleinstädte und das Land einzutauchen. Von Angers nimmt man am besten die D952, die am nördlichen Ufer der Loire gen Osten führt. Im Fluss tauchen immer wieder Sandbänke auf, die Ufer sind grün verwachsen, die Dörfer ursprünglich. Seit gut 100 Jahren ist die Loire schiffbar, wenn auch nicht ganz bis zu ihrer Quelle. Doch der so gemächlich seiner Wege ziehende Fluss hat nichts von seiner Unberechenbarkeit verloren. Plötzlich sinkender Wasserspiegel ließen schon in früheren Zeiten die salambardes, 28 bis 30 Meter lange Schiffe aus Tannenholz, die bis zu 35 Tonnen an Lasten transportieren konnten, wochenlang, ja monatelang in einem Hafen festsitzen.

Bei Les Roisiers-sur-Loire wechsle ich auf die südliche Uferseite, wo das Gebiet der Höhlen im Anjou beginnt. Im weichen Kalkgestein, tuffeau genannt, und in Muschelsandstein, falun bezeichnet, wurde ein rund 1 500 Kilometer langes System an Gängen und Höhlen im Laufe der Jahrhunderte gegraben. Allein im Dorf Rochemenier befinden sich 40 Bauernhöfe in 250 Höhlen, die heute ein eindrucksvolles Museum darstellen. Aber auch als Weinkeller, für Champignonzuchten, Restaurants und Lager wurde dieses Gebiet wie ein Schweizer Käse gelöchert und ausgehöhlt.

Samur, eine idyllische Kleinstadt mit noch idyllischeren Ausblicken von ihrem Schloss über der Loire, ist auch eine Stadt der Pferde. In der 1763 gegründeten Ecole d'application de l'armée blindée et de la cavalerie wurde eine Elitetruppe der Reiterei ausgebildet. Heute leistet man sich neben einer Offiziersschule der Panzerdivision noch immer den Luxus einer Kavallerie. Übrigens, wer vom Schloss aus herrliche Aufnahmen schließen möchte, kann dies ohne Eintritt tun - der Zugang zur Aussichtsterrasse ist frei.

Nur wenige Kilometer südöstlich steht eine der imposantesten und bedeutendsten Abteien Frankreichs - die Abbaye de Fontevraud, Pilgerstätte hunderttausender Engländer. Liegt doch da der mächtigste englische Herrscher des Mittelalters begraben: Heinrich II. Platagenet mit seiner Frau Eleonore von Aquitanien, einer Region "gleich um die Ecke". Ihr Sohn, nicht minder bekannt, war Richard Löwenherz, der am Rückweg von einem Kreuzzug in Dürrnstein in der Wachau festgehalten wurde, von seinem Getreuen, dem Bänkelsänger Blondel, gefunden und mit viel Lösegeld wieder freigekauft wurde. Neben den Grabmälern der königlichen Hoheiten lohnt aber auch der Besuch der Klosterküche. Ausmaße und architektonische Feinheiten beeindrucken.

Aha ja, von 1115 bis 1792, bis zur Auflösung des Klosters gab es 36 Äbtissinnen, davon 16 aus königlicher Familie; über 14 Hektar bedeckt die größte klösterliche Gebäudeeinheit Europas.

Ich verlasse das Tal der Loire, fahre südlich die Vienne entlang durch das Département Toraine, jenem Gebiete südlich von Tours mit den bekannten Schlössern Chenonceau, das mit der der romantischen Brückengalerie über den Fluss Cher, Azay-le-Rideau, Villandry mit der hübschen Gartenanlage, Amboise, das "italienische" Schloss an der Loire mit "Le Clos-Lucé", wo der berühmte italienische Wissenschafter, Architekt und Maler Leonardo da Vinci am 2. Mai 1591 im Alter von 67 Jahren verstarb, und Chinon. Bei letzterem lege ich einen Stopp ein. Hier residierte der aus Paris von den Engländern vertriebene König Karl VII. und hier trinke ich ein Glas Cabernet Franc, einen guten Tropfen Chinon. Zur ehemaligen Poststation aus dem 18. Jahrhundert, dem Hotellerie du Cheval Blanc, meiner Herberge für heute, ist es nicht mehr weit. Sie ist in Saint Maure de Touraine, einer wichtigen Straßenkreuzung. Ein schöner Garten, ein nettes Restaurant und Zimmer dem 3-Sterne-Standard in Frankreich am Land entsprechend.

Mittelalter, Außenminister und Steinreiche

Nach einem guten Frühstück geht es ostwärts weiter in eine Stadt mit einem der bedeutendsten mittelalterlichen Ensembles, Loches. Auf einem Felssporn liegt die mit einer fast zwei Kilometer langen Mauer umwallte "Cité Medievale", die "mittelalterliche Stadt". Die Stadt empfängt mich trotz August in grauen, ja fast regnerischen Farben, zeigt sich von einer eher düsteren Gestalt. So düster wie auch mancher geschichtlicher Abschnitt des Schlosses. Der Herzog von Mailand, Ludovico Sforza, saß hier 1500 eingekerkert und bemalte in seiner Gefangenschaft sein Verlies. Vorher waren hier Karl VII. mit seiner Mätresse Agnès Sorel zu Hause, später dann Ludwig XII. Heute bietet der Ort einen mittelalterlichen Nachtmarkt mit Gauklern und Musik am 3. Donnerstag im Juli und August.

Es geht weiter durch Landschaft, aber auch die vergeht, und ich komme nach Valencay. Das mächtige Schloss hatte im 16. Jahrhundert ein Finanzmann errichten lassen. Im 19. Jahrhundert erwarb der Außenminister von Napoléon, Talleyrand, auf dessen Wunsch, das Schloss. Hier empfing er Staatsgäste, hierher verbannte Napoléon den spanischen König Ferdinand VII., der hier von 1808 bis 1814 bewacht wurde. Wer gerne etwas weniger Geschichte und mehr zu sehen wünscht, dem sei das Musée l'automobile, das Automobilmuseum empfohlen. Über 60 Karossen, vom Renault Baujahr 1907 über die berühmteste Ente Frankreichs, den 2CV Citroën erwarten den Besucher.

Nach so viel Geschichte lasse ich mich in einem Restaurant in der Kleinstadt Vierzon an der Cher zu einer mittäglichen Stärkung nieder, bevor ich weiter nach Bourges aufbreche. Bourges, Hauptort des Département Berry, knapp 100 000 Einwohner, eine herrliche Kathedrale, Gassen mit Fachwerkbauten, Adelspaläste entlang der Stadtmauer. Die Kathedrale Saint-Etienne wurde 1992 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Die Glasmalerei der Kirchenfenster zählt zu den größten mittelalterlichen Schätzen, die Frankreich zu bieten hat. Der wohl interessanteste Sohn der Stadt war Jacques Coeur, der um 1400 hier geboren wurde. Sein Vater, reicher Pelzhändler, brachte den Geld-Grundstock für die Handelsflotte von Coeur im Mittelmeer mit, die ihn zum reichsten Mann im französischen Königreich werden ließ. Es gab so gut wie niemanden vom Königshaus und Adel, der sich nicht bei ihm Geld geborgt hatte. Aber wie das so mit reichen Menschen im Mittelalter war. Neid und Intrige brachten ihn zunächst ins Gefängnis, dann floh er zum Papst nach Rom und starb im Kampf gegen die Türken. Sie sollten sich das Palais Jacques Coeur nicht entgehen lassen, eines der wenigen erhalten gebliebenen Beispiele profaner gotischer Architektur in Frankreich!

Ein Seitensprung

Abends erreiche ich Nevers und damit schon das Burgund, über das ich euch in einer anderen Reisegeschichte erzähle. Doch möchte ich noch ein paar Worte über ein Gebiet schreiben, das sich im Bogen der Loire zwischen Blois, Romoratin-Lanthenay, und Gien-sur-Loire erstreckt: die Sologne. Ein unfruchtbares Heideland von gut 30 x 60 km Fläche zwischen Loire und Cher mit 1 001 Teichen, den étangs. Keiner hat sie jemals genau gezählt. Entstanden sind diese Teich erst im Mittelalter durch die Rodung der riesigen Wälder von Kirchenfürsten, Königen und anderen Reichen und Adeligen. Die Menschen selbst waren bettelarm und hatten eine Lebenserwartung von kaum 30 Jahren. Sumpffieber war an der Tagesordnung. Erst unter Napoléon III. im 19. Jahrhundert besserten sich die Lebensverhältnisse der Menschen. Das riesige Gelände wurde zu Jagdrevieren von Industriellen, Geschäftsleuten und Neureichen aus Paris. Sie zäunten ihre Jagdgründe ein, was heute beim Wandern oder Radfahren durch die Sologne ärger- und hinderlich ist. Eines dieser Jagdgründe ist aber dennoch für alle zugänglich und sein Besuch empfehlenswert: der Park von Chambord mit dem gleichnamigen interessanten Königschloss.

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Frankreich, Loire Tal, Festungsmauern in Angers

Die Festungsmauern von Angers

Frankreich, Loire Tal, das Schloss von Saumur

das Schloss von Saumur

Frankreich, Loire Tal, in der Abtei von Fontevraud

In der Abtei von Fontevraud

Frankreich, Loire Tal, die Grabstätten von Heinrich II. und seiner Gemahlin in Fontevraud

die Grabstätten von Heinrich II. und seiner Gemahlin in Fontevraud

Frankreich, Loire Tal, die Klosterkueche von Fontevraud<

die Klosterküche von Fontevraud

Frankreich, die Kathedrale von Bourges

die Kathedrale von Bourges

Frankreich,  Nevers

Nevers

Frankreich, Loire Tal, Schloss Chambord an der Loire

Schloss Chambord an der Loire

Frankreich, Loire Tal, Falknerei bei Schloss Chambord, Loire

Falknerei bei Schloss Chambord, Loire

Frankreich, Loire Tal, Sully-sur-Loire

Sully-sur-Loire

Frankreich, Loire Tal, Saint Benoit sur Loire

Saint Benoit sur Loire

Frankreich, Loire Tal, Pont Canal ueber die Loire bei Briare

Pont Canal ueber die Loire bei Briare

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